Bonner Querschnitte 6/2005 Ausgabe 6

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Warum der Papst nicht zurücktritt

B o n n (24. März 2005) – Der Vorsitzende des Instituts für Notfallseelsorge, Sterbebegleitung und Trauerseelsorge, Frank Koppelin (Bad Kreuznach/Pforzheim), hat angesichts des Krankheitszustandes des Papstes erneut das Buch des Bonner Theologen Thomas Schirrmacher „Der Papst und das Leiden: Warum der Papst nicht zurücktritt“ zum Studium empfohlen. Der Papst gehe davon aus, daß mit seinem Leiden und dem Leiden überhaupt nach Kolosser 1,24 das Erlösungswerk Christi vollendet werde, wie Schirrmacher in seiner Untersuchung des Leidensverständnisses des Papstes zeige. „Schirrmacher erweist sich“, so Koppelin wörtlich, „wie zuletzt schon in seinen Beiträgen zum ‚Harenberg Lexikon der Religionen’, als ausgezeichneter Kenner anderer Konfessionen. Auch die Leidensthematik ist ihm, nicht zuletzt durch seine theologischen Beiträge über Christenverfolgung und Sterbehilfe, bestens vertraut.“.

Das Institut für Notfallseelsorge, Sterbebegleitung und Trauerseelsorge will Christen auf den Umgang mit dem Tod vorbereiten, gleich ob sie familiär oder beruflich mit ihm zu tun haben. Dazu bietet es Vorträge, Seminare, Trauerreisen und Beratung an. Leiter ist Pastor Roland Jung.

Hier die Besprechung des Buches durch Frank Koppelin:

Thomas Schirrmacher. Warum der Papst nicht zurücktritt, oder: Die biblischen Grundlagen des Apostolischen Schreibens ‚Salvifici Doloris‘ (1984) über die Be-deutung des Leidens. VTR: Nürnberg, 55 Seiten.

Keine Persönlichkeit der Geschichte wurde von so vielen Menschen hautnah erlebt wie Johannes Paul II. Noch viel mehr haben ihn im Fernsehen gesehen. Und so erleben nun Millionen Menschen einen gebrechlichen, schmerzverzerrten 84jährigen Papst und fragen sich, warum er nicht zurücktritt.

Der Grund dafür, so der Verfasser, sei keineswegs, dass ein Papst nicht zurücktreten könne. Der Papst selbst hat noch 1984 im Kirchenrecht den Papstrücktritt geregelt. Darüber wird selbst in höchsten Kreisen der katholischen Kirche offen diskutiert und kein geringerer als der konservative deutsche Kardinal Ratzinger befürwortet ihn. Vielmehr, so jedenfalls Schirrmacher, liegen die Gründe im Leidensverständnis des Papstes selbst begründet.

Von diesem Leidensverständnis handelt dieses Buch. Der Papst hat 1984 eine der bedeutendsten christlichen Schriften zum Sinn des Leidens verfasst. Wer sie kennt, versteht das Zögern des Papstes, sein Amt aufgrund seines Leidens aufzugeben. Denn durch sein Leiden nimmt er am Erlösungsleiden Christi teil, und zwar nicht nur durch das Leiden um des Glaubens willen, sondern auch durch sein ‚normales‘ körperliches Gebrechen, das weder er verschuldet noch ein anderer ihm zugefügt hat.


Schirrmacher stellt die Sicht des Papstes fair und kompetent dar. Da der Papst selbst seine Sicht mit der Bibel begründet, fragt er aber, ob die Argumente von Johannes Paul II. stimmig sind und der Papst ein zutreffendes Gesamtbild der Lehre vom Leiden in der Heiligen Schrift wiedergibt. Er will auf das päpstliche Schreiben nicht aus einer konfessionellen Sicht reagieren und bringt darum auch die Schwächen der evangelischen Theologie zur Sprache, die in der Tat oft die Thematik des Leidens umgeht und die Martyriumstheologie des Neuen Testamentes kaum erforscht, geschweige denn praktisch beherzigt.

Bei allem, was man nach Schirrmacher vom Papst über das Leid lernen kann, gibt das päpstliche Leidensverständnis, das übrigens auch innerhalb der katholischen Tradition ein Novum ist, auch Anlass zur Kritik. Dies gilt nicht nur, weil der Papst ganze Bereiche der biblischen Offenbarung zur Thematik (z. B. die eschatologische Dimension) oder zentrale theologische Fragen (z. B. die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes) außer Acht lässt oder typisch katholische Anliegen mit der Exegese vermischt, etwa, wenn Maria als Vorbild des Leidens schlechthin dargestellt wird. Sondern vor allem gilt für die Sicht von Johannes Paul II., dass seit dem Kreuzestod Jesu jedes Leiden an der erlösungswirksamen Funktion des Leidens beteiligt ist.

Schirrmacher kritisiert, dass der Papst Texte, die sich auf das Martyrium von Christen beziehen, einfach so auf allgemeine Leiden überträgt und dies sogar unabhängig davon, ob der Leidende an Christus glaubt oder nicht. Schirrmacher erweist sich hier, wie zuletzt schon in seinen Beiträgen zum ‚Harenberg Lexikon der Religionen’, als ausgezeichneter Kenner anderer Konfessionen. Auch die Leidensthematik ist ihm, nicht zuletzt durch seine theologischen Beiträge über Christenverfolgung und Sterbehilfe, bestens vertraut, was sich im Buch wohltuend bemerkbar macht.

Drs. Frank Koppelin, Institut für Notfallseelsorge, Sterbebgleitung und Trauerseelsorge


K U R Z F A S S U N G

Thomas Schirrmacher. Warum der Papst nicht zurücktritt, oder: Die biblischen Grundlagen des Apostolischen Schreibens ‚Salvifici Doloris‘ (1984) über die Bedeutung des Leidens.
VTR: Nürnberg, 55 Seiten.

Millionen erleben einen gebrechlichen, schmerzverzerrten 84jährigen Papst und fragen sich, warum er nicht zurücktritt. Der Grund dafür ist keineswegs, dass ein Papst nicht zurücktreten kann. Vielmehr liegen nach diesem Buch die Gründe im Leidensverständnis des amtierenden Papstes begründet. Schirrmacher stellt die Sicht des Papstes fair und kompetent dar. Er erweist sich, wie zuletzt schon in seinen Beiträgen zum ‚Harenberg Lexikon der Religionen’, als ausgezeichneter Kenner anderer Konfessionen. Da der Papst selbst seine Sicht mit der Bibel begründet, fragt er aber, ob die biblisch-exegetischen Argumente stimmig sind und der Papst ein zutreffendes Gesamtbild der Lehre vom Leiden in der Heiligen Schrift wiedergibt. Bei allem, was man nach Schirrmacher vom Papst über das Leid lernen kann, gibt das päpstliche Leidensverständnis, das übrigens auch innerhalb der katholischen Tradition ein Novum ist, auch Anlass zu Kritik, vor allem wegen der Sicht des Papstes, dass seit dem Kreuzestod Jesu jedes Leiden an der erlösungswirksamen Funktion des Leidens teilhat.

Drs. Frank Koppelin, Institut für Notfallseeslorge, Sterbebgleitung und Trauerseelsorge

 

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