Bonner Querschnitte 26/2019 Ausgabe 590

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â??Europa hat der Evangelischen Allianz in Sachen Religionsfreiheit viel zu verdanken.â??

(Bonn, 05.08.2019) „Rede frei! Bekenne frei!“ Unter diesem Motto trafen sich rund 100 christliche Juristen und Juristinnen zur Bundestagung 2019 von „Christ und Jurist“.

Cover ‚Rede frei!‘Auf der Bundestagung fand auch der Launch der druckfrischen Broschüre ‚Rede frei! Mit Recht über das Evangelium sprechen‘ statt. Dieser Ratgeber wurde gemeinsam von der Deutschen Evangelischen Allianz, von Christ und Jurist und von ADF International entwickelt. Zum Launch wurden Rechtsanwältin Astrid Bittner und Rechtsanwalt Mark Bittner interviewt, die für den ersten Entwurf einen großen Teil der Inhalte beigesteuert hatten, der alte und der neue Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb und Dr. Reinhardt Schink, außerdem Dr. Thomas Schirrmacher, Stellvertretender Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz, der an der Broschüre mitgewirkt hatte und in einer Einführung darlegt, wofür die Broschüre gedacht ist.

In seinem Vortrag „Warum christlicher Wahrheitsanspruch und Religionsfreiheit zusammengehören“ vertrat Schirrmacher, dass Mission zutiefst zum Wesen der Kirche gehört. Der richtig verstandene Missionsauftrag setze aber die Anerkennung der Freiheit, sich für oder gegen den Glauben zu entscheiden, voraus. Schirrmacher verwies auf die 2011 von dem Ökumenischen Rat der Kirchen, dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und der Weltweiten Evangelischen Allianz veröffentlichte Erklärung ‚Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt‘. Dieses Dokument bezeichnete Schirrmacher als Plädoyer für die Religionsfreiheit und als „offizielles Schlussdokument für das konstantinische Zeitalter“ – das heißt als Ende der Ära, in der die Großkirchen versuchten, mithilfe des Staates Menschen zum Glauben zu bekehren.

„Europa hat der Evangelischen Allianz in Sachen Religionsfreiheit viel zu verdanken“, so Schirrmacher weiter. Die Evangelische Allianz habe bei ihrer Gründung zum Ziel gehabt, dass das Evangelium einheitlich verkündet werde. Die Kehrseite sei damals die Akzeptanz der Religionsfreiheit gewesen. Schirrmacher betont, bis heute gelte: „Man muss dem anderen die völlige Freiheit lassen, sich dafür oder dagegen zu entscheiden.“ Dieses Eintreten für Religionsfreiheit sei 1846 noch kein politisches Konzept gewesen, und für viele noch etwas Unerhörtes. „Die Katholische Kirche war damals auf dem Höhepunkt der Ablehnung der Religionsfreiheit.“ In gewisser Weise schulde Europa der Evangelischen Allianz bis heute Dank.

Dabei sei Mission das Ur-Thema von Kirche schlechthin. „Nehmt die Mission aus der Kirche, dann bleibt nichts mehr übrig“, so Schirrmacher. Dabei sei Gott selbst im Grunde „der erste Missionar“, weil er schon Adam und Eva auf das Jüngste Gericht hingewiesen habe. Der erfolgreichste Missionar der Geschichte sei der Heilige Geist, so der Theologe. „Nicht Paulus, nicht Billy Graham, auch nicht Papst Franziskus.“ Zudem sei jeder Christ geradezu dazu verpflichtet, die Botschaft von Jesus weiterzugeben, fügte Schirrmacher hinzu. Für ihn sei eines der schönsten Bilder für Mission: Ein Bettler sagt dem anderen, wo es etwas zu Essen gibt. Dabei stünden beide Bettler auf derselben Stufe, und keiner greife die Würde des anderen an.

Dokumentation: Thomas Schirrmacher auf der Webseite von Christ und Jurist

Foto (v.l.n.r.): Mark Bittner, Astrid Bittner, Thomas Schirrmacher, Hartmut Steeb, Martin Franke © BQ/WarneckeDass sich Juristen und Juristinnen aller Konfessionen und Fachrichtungen zusammenschließen und austauschen, ist nicht nur wichtig um zu lernen, wie das bisweilen anstrengende Leben in der Rechtswelt mit anderen Bedürfnissen des Lebens, wie Familie, Freunde, Ruhe, Kirche oder soziales und politisches Engagement überein gebracht werden kann, sondern auch, damit sie sich im gemeinsamen Fachgespräch weiterentwickeln können.

Recht entwickelt sich ständig weiter, weltweit ebenso wie lokal. Nur wenn engagierte Menschen hier mit am Ball sind, können sie die Zukunft in diesem Bereich auch zum Wohle aller mit gestalten. Oft lässt der juristische Alltag aber nicht viel Raum dafür, über Grundsatzfragen nachzudenken.

Wenn Christen aber unsere Gesellschaft im demokratischen Konzert mit prägen wollen, muss das gerade auch die juristische Lebenswelt umfassen. Da ist es wichtig, eine Plattform zu schaffen, in der man gemeinsam erst einmal um „Gerechtigkeit“ ringen kann, um dann das Gewonnene in die Gesellschaft einzubringen.

Foto: Thomas Schirrmacher bei seinem Vortrag bei „Christ + Jurist“ © BQ/WarneckeEin christlicher Beitrag zu Fragen der Menschenrechte erfolgt nicht ein für alle Mal, sondern das weltweite Menschenrechtsgeflecht wird weiter ausgebaut, oft sinnvoll (wie etwa das neueste Menschenrecht auf UN-Ebene, das Recht auf Trinkwasser), manchmal aber auch fragwürdig (wie meines Erachtens die Forderung eines Rechtes auf Abtreibung ohne die Menschenrechte des Ungeborenen zumindest dagegen abzuwägen).

Wenn Juristen und Juristinnen daher nicht von Zeit zu Zeit über Grundsatzfragen diskutieren können, bleibt uns nur der Aktivismus, wenn überhaupt. So wichtig es aber ist, sich für Menschenrechte, Religionsfreiheit und Gerechtigkeit in Alltag und Politik einzusetzen, so wichtig ist es auch, die dahinter liegende Ebene juristischer Grundsatzüberlegungen und -entscheidungen zu überdenken und zu verbessern.

Ich wünsche deswegen dem Kongress „Christ und Jurist e. V.“ unter dem Thema „Gerechtigkeit“ viele Teilnehmer, viel Gesprächs- und Lernlust, viel Gewinn für die persönliche Lebensgestaltung, aber auch, dass es gelingt, an dem tiefen Wunsch aller, „Gerechtigkeit“ in unserer Welt zu verwirklichen, mitzuwirken.


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