Bonner Querschnitte 19/2007 Ausgabe 49

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Autopsieberichte der Malatya-Opfer jetzt einsehbar

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bislang unbefriedigend

(Bonn, 22.12.2007) Durch den vor wenigen Wochen begonnenen Prozess gegen die Mörder der im April in Malatya umgebrachten drei Christen sind durch die den Anwälten übergebenen Akten auch die Autopsieberichte der Getöteten nicht zuletzt für die Hinterbliebenen einsehbar. Man kann diese wie folgt kurz zusammenfassen:

Autopsieberichte

Tilmann Geske habe insgesamt 16 Stichwunden erlitten, hauptsächlich im Bereich des Oberkörpers. Davon seien 5 tödlich gewesen, insbesondere die durch das Aufschlitzen der Kehle verursachte Wunde. Necati Aydin habe insgesamt 6 Stichwunden erlitten, hauptsächlich an Vorder- und Rückseite seines Halses. Davon seien 2 tödlich gewesen, auch hier insbesondere die durch das Aufschlitzen der Kehle verursachte Wunde. Zudem habe es klare Anzeichen dafür gegeben, dass man zuvor versucht habe, Aydin mit einem Seil zu strangulieren. Ugur Yuksel habe insgesamt 14 Stichwunden an seinem gesamten Körper erlitten. Davon seien 5 tödlich gewesen. Seine Kehle sei ebenfalls aufgeschlitzt worden.

Bei allen Opfern seien zudem Verletzungen im Gesicht festgestellt worden, die auf Schläge zurückzuführen seien. Alle drei seien maßgeblich durch innere und äußere Blutungen der zugefügten Stichwunden gestorben. Bei Necati Aydin sei Erstickung eine zusätzliche Todesursache gewesen. Gliedmaße oder Körperteile im Gesicht oder Intimbereich seien nicht abgetrennt worden.

Aktuelle Situation

Bei der Prozesseröffnung am 23.11.2007 hat der Staatsanwalt für die fünf Haupttäter jeweils dreimalig lebenslängliche Freiheitsstrafe gefordert. Zwei weitere sich nicht in Untersuchungshaft befindende Angeklagte sind der Beihilfe zur Tat einer terroristischen Organisation angeklagt worden. Da die Morde geplant waren, wird den Tätern vom Staatsanwalt die Gründung einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt.

Die Hinterbliebenen der Opfer werden von insgesamt zwanzig Top-Anwälten für Menschenrecht und Strafrecht vertreten, geleitet von einem Rechtsanwalt, mit dem die Allianz der Protestantischen Kirchen der Türkei seit Jahren vertrauensvoll zusammenarbeitet. Die Juristen sind keine Christen, aber sie kämpfen freiwillig mit den Christen der Türkei zusammen gegen das, was auch sie als enorme Ungerechtigkeit ansehen. Die Anwälte stellen ihre Dienste kostenlos zur Verfügung. Zugleich sind die darüber hinaus anfallenden nicht geringen Zusatzkosten für die Kirche in der Türkei eine finanzielle Herausforderung.

Der erste Verhandlungstag sowie die Prozessakte legen den Verdacht nahe, dass die Behörden die Tat nach Möglichkeit als Einzelfall abhandeln wollten, der von einer Gruppe von Männern ausgeführt worden sei, die ihrerseits von den Christen durch „widerwärtige missionarische Aktivitäten und Beleidigung des Islams sowie nationaler Werte“ provoziert worden sei. Dies kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass umfangreiches Material von den Festplatten der Computer der Ermordeten in die Prozessakte gelangte. Dass man in der Akte z.B. auch die kompletten Seminarunterlagen eines Ehe-Kurses gefunden habe, sei noch das geringste Problem, so einer der Angehörigen. Viel schlimmer sei, dass man neben den Namen und Adressen von Christen in der ganzen Türkei auch viele Kontaktdaten von interessierten Muslimen den Prozessunterlagen beigefügt habe.

Zudem gibt es eine Anzahl von Hinweisen darauf, dass man Verbindungen zu Hintermännern nicht ordnungsgemäß untersucht hat und Dinge vertuscht (vgl. dazu die Aussagen von Rechtsanwalt Orhan Kemal Cengiz in Opens external link in new windowBQ 48).

So bitten die türkischen Christen um Gebet, dass in dem Prozess Gerechtigkeit geschieht und dabei auch die „Köpfe und Hände hinter den Tätern“ aufgespürt werden, und dass die ermordeten Glaubensbrüder ebenso wie andere Christen in der Türkei vor Lügen und Verleumdungen geschützt werden.

Dokumente

BQ0049_01.pdf