Bonner Querschnitte 35/2018 Ausgabe 552

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Nur gewalttätige Dschihadisten wollen, dass alle Christen gehen

Experte des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit veröffentlicht Buch über christliche Kirche im Nahen Osten

(Bonn, 27.09.2018) „Die einzigen Menschen, die wollen, dass alle Christen gehen, sind einige gewalttätige Dschihadisten“, schließt ein neues Buch, herausgegeben vom IIRF-Experten und Vertreter des Vereinigten Königreichs, Jonathan Andrews. „Alle anderen, auch einige, die wir als Islamisten bezeichnen könnten, wünschen sich ihre weitere Anwesenheit. Sie erkennen an, dass die Christen der Sauerteig sind, der die ganze Gesellschaft durchdringt.“

Book Cover ‚The Church in Disorienting Times‘‚The Church in Disorienting Times‘ [‚Die Kirche in verwirrenden Zeiten‘] enthält Beiträge von ägyptischen, libanesischen, palästinensischen und syrischen Christen sowie von Christen aus Europa und Nordamerika. Es geht darum, dass die Kirche die umgestaltende Kraft in der Gesellschaft ist und darum, wie es in unruhigen, verwirrenden Zeiten mehr Möglichkeiten gibt, dies zu tun. Die beitragenden Autoren sagen, dass die Kirche dafür aus ihren Gebäuden herauskommen muss und dies auch dort tun sollte, wo einige versuchen, sie aus der weiteren Gesellschaft zu verdrängen.

Wir alle leben in verwirrenden Zeiten, stellt Andrews fest, allein schon aufgrund der Geschwindigkeit der technologischen und anderer Veränderungen. Aber für den Nahen Osten gibt es auch den Kontext des gewaltsamen Konflikts und die unerfüllten Erwartungen des Arabischen Frühlings.

Das Buch besteht aus vier thematischen Kapiteln, die jeweils Beiträge von Staatsangehörigen zweier Länder des Nahen Ostens, zwei Fallstudien und einen Blick auf das Thema außerhalb des Nahen Ostens enthalten. Die Kapitel sind:

Verfolgung und Leid: wie beispielsweise die religiöse Verfolgung von Christen in Ägypten und die Situation der Palästinenser; eine Untersuchung der Frage, ob Ungerechtigkeit offen in Frage gestellt oder stillschweigend akzeptiert werden sollte, ein Thema, das sich durch das ganze Buch zieht. In diesem Kapitel werden die Themen (1) Gastfreundschaft, auch für einen ehemaligen Verfolger, und (2) die Grenzen des Denkens in Kategorien von offenen/geschlossenen Türen vorgestellt. „Wenn eine Tür geschlossen ist, suchen wir nach einem Fenster, durch das wir hineinspringen können“, sagt beispielsweise Ramez Atallah, Generaldirektor der Bibelgesellschaft Ägyptens.

Foto: Ehab el-Kharrat, ein Mitautor des Buches, vor der Mittelost-Konferenz des Institute of Middle Eastern Studies im Juni 2017 © Middle East ConsultationAuswanderung: die Folgen, die sich ergeben, wenn Kirchenführer auswandern, und die dramatischen Veränderungen der Umstände für die Kirche in Syrien. Ein Blick in die weite Welt befasst sich mit Kanada als Einwanderungsland und mit den Auswirkungen auf die Kirche, wenn Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft und Sprachen integriert werden.

Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung: Yohanna Katanacho, Akademische Dekanin des Evangelischen Kollegs von Nazareth, zitiert zur Beschreibung der Lage das alttestamentliche Buch der Klagelieder – „es gibt keinen Trost, keinen Propheten und keine Hoffnung“ – und stellt verschiedene Beispiele von Christen vor, die Einzelpersonen, Familien, Gemeinschaften und einem Vorort von Kairo Hoffnung bringen.

Unterdrückung von Minderheiten: die offene Unterdrückung einer Gruppe durch eine andere, mit der Folge, dass viele christliche Gemeinschaften im Nahen Osten und anderswo zu Opfern werden. Hier werden die Fragen aufgegriffen, wann und wie man Ungerechtigkeit bekämpft, wie man die in die Hoffnungslosigkeit Gedrängten unterstützt und wie die Kirche Motor gesellschaftlicher Transformation sein kann.

Das Buch enthält mehrere Bitten der nahöstlichen Kirche an die weltweite Kirche, wie zum Beispiel:

Bildcollage von der Mittelost-Konferenz des Institute of Middle Eastern Studies im Juni 2017 © Middle East ConsultationBietet Gemeindeleitern aus dem Nahen Osten keine Arbeitsplätze in westlichen Kirchen an; „Die Gemeinde in unserer Region hat viel gelitten, weil viele, vor allem Leiter, sich entschieden haben zu gehen“, sagt Elie Haddad, Präsident des Arabischen Baptistischen Theologischen Seminars. „Der personelle Notstand in der MENA-Region (Mittlerer Osten, Nordafrika) nimmt zu: Menschen mit unterschiedlichem religiösem Hintergrund sind offen, von Christus zu hören, während viele in unseren Kirchen Sicherheit und eine bessere Zukunft suchen.“

Sage nie, dass Christen im Nahen Osten eine Minderheit seien oder verteidigt oder gerettet werden müssen; dadurch würden sie Ausbeutung und Angriffen nur noch mehr ausgeliefert werden. Beschreibe sie vielmehr als einen langjährigen, integralen Bestandteil der Vielfalt in unserer Region, dessen Erhaltung entscheidende Bedeutung für die Zukunft der gesamten Region hat.

„Wenn Christen im Westen arabische Christen als Minderheiten wahrnehmen, die gerettet werden müssen, dann macht sie das erst zu Opfern und zur Minderheit“, sagt Dr. Martin Accad vom Arabischen Baptistischen Theologischen Seminar.


Bibliografische Angaben:

  • Jonathan Andrews (Hg.). The Church in Disorienting Times: Leading Prophetically Through Adversity. Langham Global Library, 2018. 152 S. Paperback. ISBN: 978-1783684342.

Weitere Publikationen von Jonathan Andrews:

  • Identity Crisis – Religious Registration in the Middle East. Gilead Books Publishing, 2016. 412 S. Paperback. ISBN: 978-0993209024.
  • Last Resort – Migration and the Middle East. Gilead Books Publishing, 2017. 422 S. Paperback. ISBN: 978-1999722401.


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