Bonner Querschnitte 16/2008 Ausgabe 68

Zurück

Unerwartete Folgen einer Ausladung: Islamwissenschaftler, Politologen und österreichische Tageszeitungen stellen sich vor Christine Schirrmacher

(Bonn, 05.06.2008) Die Rücknahme der bereits ausgesprochenen Einladung an Christine Schirrmacher und die Absage der bereits weit plakatierten Veranstaltung im österreichischen Traun hat in der österreichischen Presse und im Internet weite Kreise gezogen und zu Protesten von deutschen Wissenschaftlern und Experten aller politischen Richtungen geführt.

Die Islamwissenschaftlerin sollte am 21. Mai ein Referat zum Thema „Islam in Europa als Herausforderung für Staat, Gesellschaft und Kirche“ halten. Sie wurde eingeladen vom „Personenkomitees Aufeinander Zugehen“, einem breit aufgestellten Zusammenschluss von Vertretern kommunaler und religiöser Einrichtungen, darunter auch Mitglieder der katholischen und evangelischen Kirche sowie Muslime, welches von der Stadt Traun unterstützt wurde.

Omar Al-Rawi, Integrationsbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich und SPÖ-Mitglied im Wiener Landtag, kritisierte die geplante Veranstaltung scharf. Fünf Tage vor der geplanten Veranstaltung schrieb Al-Rawi an das „Personenkomitee“ einen Brief mit der Bemerkung, Frau Schirrmacher sei eine „bekannte antiislamische und antimuslimische Aktivistin“, weshalb die Unterstützung der Stadt für ihn „erschreckend“ sei. Maßgeblich aufgrund dieses Schreibens wurde die Veranstaltung abgesagt.

Die Marburger Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Ursula Spuler-Stegemann schreibt an die Vorsitzende des ursprünglich einladenden Komitees: „Dem Lebenslauf von Herrn Al Rawi vermag ich nicht zu entnehmen, dass er die Kompetenz hätte, die international anerkannte wissenschaftliche Leistung von Frau Professor Schirrmacher auch nur annähernd zu beurteilen ...“

Die Referentin für „Frauenrechte in islamischen Gesellschaften“ von ‚Terres des femmes‘, Collin Schubert, schrieb an dieselbe Adresse: „Frau Dr. Schirrmacher ist mir als hochkompetente Wissenschaftlerin und Islamexpertin bekannt. Ihr gemeinsam mit Frau Dr. Spuler-Stegemann geschriebenes Fachbuch: ‚Die Frauen und die Scharia‘ ist inzwischen ein Standardwerk in Deutschland. Mit vielen Fachbeiträgen, Publikationen, Vorträgen und in Fortbildungen setzt sie sich für die Rechte von muslimischen Mädchen und Frauen und das Recht auf deren Selbstbestimmung ein und engagiert sich damit für eine gelingende Integration.“

Prof. Dr. Mathias Rohe ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Als Islamwissenschaftler und Jurist gilt er als einer der führenden Islamismus-Experten. 2006 hat er federführend an einer Studie zum Islam in Österreich des österreichischen Innenministeriums mitgewirkt. Er ist Vorsitzender der ‚Gesellschaft für Arabisches und Islamisches Recht‘ und Mitglied des Kuratoriums der Christlich-Islamischen Gesellschaft. Im Jahr 2007 wurde einer seiner Vorträge in München von Islamgegnern so gestört, dass er abgebrochen werden musste. Anschließend erhielt Rohe Morddrohungen per E-Mail.

Rohe schreibt in der Wiener Zeitung: „Ich schätze Frau Schirrmacher als seriöse Wissenschaftlerin, auch wenn ich nicht immer ihre Meinung teile.“ „Mich wundert, dass man ihre kritische Position, die sie mit vielen Fakten untermauern kann, nicht einmal anhören will.“ (28.5.2008)

Die Wiener Zeitung fährt fort: „Schirrmacher ist Mitglied der ‚Zentralstelle für Weltanschauungsfragen‘ bei der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Gerade dort sorgt Al Rawis Kritik für Empörung. Als ‚muslimischer Oberzensor‘ wurde Al Rawi vom Berliner Politikwissenschaftler Johannes Kandel bezeichnet, der EKD-Gremien in Islamfragen berät.“ (Wiener Zeitung 28.5.2008) Dr. Johannes Kandel ist Historiker und promovierter Politikwissenschaftler und Referatsleiter „Akademiegespräche: Interkultureller Dialog“ bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin.

„Sie ist eine renommierte und hoch angesehene Islamwissenschafterin“, erklärt Kristina Köhler, CDU-Islambeauftragte und Abgeordnete im Deutschen Bundestag: „Einer Frau, die sagt, aus dem ‚Nebeneinander müsse ein Miteinander‘ werden, Einseitigkeit oder gar der ‚Islamfeindschaft‘ vorzuwerfen, ist völlig absurd und bösartig.“ (Wiener Zeitung, 28.5.2008). Köhler ist Diplom-Soziologin, ordentliches Mitglied im Innenausschuss des Deutschen Bundestages und Berichterstatterin der CDU/CSU-Fraktion für Islam, Integration und Extremismus. In einem Brief an den Bürgermeister von Traun schreibt sie:

„Die Unterstellungen des Integrationsbeauftragten der IGGiÖ in Richtung von Frau Prof. Schirrmacher sind genau das Gegenteil eines kritischen Diskurses. Aber sie zeigen uns in Deutschland doch erneut in aller Deutlichkeit, warum der Umgang mit dem Islam in Österreich kein Vorbild für Deutschland ist. Weil der Umgang islamischer Organisationen mit den Kritikern des Islamismus nämlich ein deutlicher Lackmustest dafür ist, ob die Integration der Muslime gelingt.“ (Kristina Köhler, MdB)

Neben Islamwissenschaftlern und Politologen stellten sich auch Journalisten unterschiedlichster Richtungen vor Christine Schirrmacher, wie etwa Rainer Nowak (Neue Presse, Wien), Stefan Beig (Wiener Zeitung) und Hildegard Becker (Achse des Guten). Mehrere Berichte überregionaler österreichischer Tageszeitung zeigten sich insgesamt ebenso schockiert über die Vorgänge, wie bekannte Blogs wie der der Zeit, von Spiegel Online und von Florian Klenk.

 

Links:

Der (geplante) Vortrag im Wortlaut:

Auszug des Vortrages in ‚Die Presse‘ (Wien):

 Die Neue Presse:

 Wiener Zeitung:

Katholischer Nachrichtendienst und Radio Vatican:

 Kommentar Florian Klenk:

 Stellungnahme Dr. Johannes Kandel:

Stellungnahme Kristina Köhler:

 Stellungnahme Hildegard Becker:

 Stellungnahme Kurt J. Heinz:

 Die österreichische Studie, an der Prof. Rohe mitwirkte:

 Johannes Kandel bei der Bundeszentrale für politische Bildung:

Dokumente

BQ0068_01.pdf