Bonner Querschnitte 12/2008 Ausgabe 64

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Ein Jahr nach dem Märtyrertod von Malatya

Angeklagte beschuldigen einen als alleinigen Mörder

(Bonn, 18.04.2008) Emre Günayd?n persönlich habe den konkreten Mord an den drei Märtyrern von Malatya vor einem Jahr begangen, beschuldigten die anderen Mitangeklagten den vermeintlichen Rädelsführer und haben so alle Schuld von sich gewiesen. Das berichtet der christliche Informationsdienst Compass Direct News in seiner jüngsten Ausgabe vom letzten Prozesstag am 14.04.2008 in Malatya. Vielmehr habe Günayd?n sie hinters Licht geführt und betrogen. Ursprünglich sei es lediglich darum gegangen, die christlichen Missionare einzuschüchtern und Material gegen sie zu sammeln, da sie das Ziel gehabt hätten, die Türkei zu teilen und den Islam zu zerstören. Die fünf langen Messer, die Wäscheleine und andere am Tatort sichergestellte Tatwerkzeuge seien nur zur Einschüchterung gedacht gewesen. Als Emre Günayd?n dann begonnen habe, die Opfer zu misshandeln, hätten sie ihn noch davon abhalten wollen, was ihnen aber nicht gelungen sei. Auch die Angeklagten, die jetzt alle Schuld von sich weisen, waren vor einem Jahr mit Messern in den Händen und Blut der Opfer an der Kleidung von der Polizei festgenommen worden und sind deshalb des Mordes angeklagt.

Über den bisherigen Prozessablauf berichtet Pastor Ihsan Özbek (Ankara), der bei allen Verhandlungen in Malatya dabei gewesen ist:

 

Der Prozess gegen die Angeklagten, die nach dem Mord an drei Christen am 18. April 2007 in Malatya gefangengenommen wurden, begann am 23. November 2007 vor der 3. Kammer des Strafgerichts in Malatya. Am Prozess nehmen in Vertretung der Verwandten von Tilmann Ekkehart Geske, Necati Ayd?n und U?ur Yüksel unter dem Vorsitz von Orhan Kemal Cengiz, Generalsekretär des Vereins zur Entwicklung der Zivilen Gesellschaft und Rechtsberater der Türkischen Evangelischen Allianz, 27 Anwälte als Nebenkläger teil.

Die Angeklagten sind vor Gericht wegen der Straftatbestände „Gründung einer bewaffneten terroristischen Vereinigung, Leitung einer solchen Vereinigung, Tötung von mehr als einer Person und Verletzung der Unversehrheit eines Arbeitsplatzes im Rahmen der Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung, Mitgliedschaft in einer solchen Organisation und vorsätzlicher Tötung“ mit der Forderung nach dreifacher erschwerter lebenslänglicher Haftstrafe angeklagt.

Der Prozess erzeugte schon vor seiner Eröffnung sowohl in den Medien als auch in der Öffentlichkeit ein breites Echo. Besonders die Tatsache, dass von den 32 Aktenordnern, die die Prozessakte bilden, nur 8 den Mord betreffen, die übrigen hingegen gänzlich die missionarischen Aktivitäten, war richtungweisend für den Verlauf des Prozesses. Mittlerweile werden auch von Zeit zu Zeit negative Nachrichten über die am Prozess beteiligten Anwälte verbreitet.

Beim ersten Prozesstag, dem 23. November 2007, weigerten sich die Verteidiger der Angeklagten, ihre Mandaten zu verteidigen, da sie nicht hätten genügend vorbereiten können. Die Anwälte der Nebenklage erklärten dagegen ihre Auffassung, dass die Schuld als eine „Schuld des Hasses“ einzuordnen sei, dass der Angriff außerdem den Straftatbestand des Völkermordes erfülle. Das Richterkollegium erklärte, dass der Antrag auf Verhör der Angeklagten nach einem solchen Strafbestand „im weiteren Verlauf des Verfahrens beurteilt wird“ und vertagten den Prozess auf den 14. Januar.

Beim zweiten Prozesstag am 14. Januar 2008 erzählten die zum ersten Mal aussagenden Angeklagten den Augenblick des Mordes mit Ausdrücken, die das Blut gefrieren ließen. Das Richterkollegium lehnte die Anträge der Anwälte der Nebenklage nach technischer Aufzeichnung der Sitzungen, nach Herausgabe je eines Exemplars der im Rahmen des Prozesses gerichtlich aufbewahrten Beweisstücke an die Anwälte beider Seiten, die Herausnahme der das Christentum und missionarische Tätigkeiten betreffenden Dokumente aus dem Rahmen des Prozesses sowie das Richten der Angeklagten mit dem Strafbestand „Völkermord“ ab. Bei der Sitzung wurden der Antrag, „die Angeklagten sollen einzeln verhört werden und wenn einer aussagt, sollen die anderen so außerhalb des Saales gehalten werden, dass sie nicht miteinander reden können“, angenommen, und die Angeklagten wurden herausgeführt. Am Ende der zehn Stunden dauernden zweiten Sitzung vertagte das Richterkollegium die Sitzung auf den 25. Februar.

An der dritten Sitzung am 25. Februar nahmen auch die fünf inhaftierten Angeklagten teil. Den Antrag der Anwälte, die Sitzung in Ton und Bild aufzuzeichnen, lehnte das Gericht erneut ab. Die Anwälte führten daraufhin an, dass das Richterkollegium seine Neutralität verloren habe und nicht unabhängig sei, und beantragten daher die Ablehnung der Richter. Das Richterkollegium der 3. Kammer des Strafgerichts Malatya beendete die Sitzung, damit über die Forderung entschieden werden könne. Die Prozessakte wurde an das nächstgelegene Strafgericht nach Diyarbakir geschickt. Das Strafgericht in Diyarbakir lehnte allerdings am 17. März die Forderung nach Ablehnung der Richter ab.

Nach dieser Ablehnung wurde am 14. April wieder mit demselben Richterkollegium die fünfte Sitzung abgehalten. An der Sitzung nahmen die inhaftierten Angeklagten Emre Günayd?n, Cuma Özdemir, Hamit Çeker, Abuzer Y?ld?r?m und Salih Gürler, ihre Anwälte sowie die Anwälte der Nebenklage teil. Bei der Sitzung sagte Salih Gürler aus. Gürler behauptete, er habe niemanden getötet und niemanden verwundet. Die Anwälte der Angeklagten behaupteten auch, dass zum Zeitpunkt der Tat Emre Günayd?n jünger als 18 Jahre gewesen sei und beantragten, das Alter der Knochen festzustellen. Nach der ungefähr 12 Stunden dauernden Sitzung vertagte das Richterkollegium die Sitzung auf den 12. Mai 2008.

Bei der Sitzung vom 12. Mai sollen die übrigen Angeklagten verhört werden und auch das Alter der Knochen von Emre Günayd?n vorliegen.

Ihsan Özbek ist Pastor der Kurtulus-Gemeinde in Ankara, mit verschiedenen Tochtergemeinden im weiteren Umland. Er ist Generalsekretär der Vereinigung der protestantischen Gemeinden der Türkei und zugleich auch Studienleiter des türkischen Studienzentrum des Martin Bucer Seminars in Ankara und Istanbul.

Kommentar: Liest man diese Details und weitere Berichte vom letzten Verhandlungstag, bekommt man unweigerlich den Eindruck, hier solle das Strafmaß so stark wie möglich minimiert werden. Vier der fünf Angeklagten stellen sich als Unwissende und Hintergangene dar, die sogar noch versucht hätten, den einen tatsächlichen Mörder an seiner Tat zu hindern, was ihnen nicht gelungen sei. Sollte es vier erwachsenen jungen Männern nicht möglich sein, einen fünften, vermeintlich noch nicht einmal erwachsenen, von einer so mörderischen Tat abzubringen? Und: ist Emre Günayd?n wirklich noch minderjährig gewesen? Warum hat er dann bei Prozessauftakt den 21.01.1988 als seinen Geburtstag ausdrücklich bestätigt? Damit wäre er aber zum Tatzeitpunkt bald 20 Jahre alt gewesen und somit auf jeden Fall volljährig. Die jetzt nachträglich beantragte Überprüfung des Alters mittels Knochenanalyse scheint ein allzu durchsichtiger Schachzug der Verteidigung zu sein, alle Strafe massiv zu minimieren.

Titus Vogt, Studienleiter und für das türkische MBS-Studienzentrum regelmäßig in der Türkei.

 

 

Die Anwälte der Hinterbliebenen arbeiten in dem Prozess zwar ohne Honorar, aber auch die Nebenkosten sind für die Gemeinden der Türkei einfach zu hoch. Deshalb schrieb Pastor Ihsan Özbek vor wenigen Tagen an das Martin Bucer Seminar: „Für die kommende Prozessrunde benötigen wir ca. 11.000 EUR. Bitte helft uns!“

Im besonderen für die genannten Prozesskosten hat das Martin Bucer Seminar zusammen mit dem Hilfswerk Gebende Hände gGmbH ein Spendenkonto eingerichtet.

Alle Spenden werden ohne Abzug direkt in die Türkei weitergeleitet.

Institut für Weltmission und Gemeindebau e.V.
Kto. 3 690 334 BLZ: 520 604 10
Evangelische Kreditgenossenschaft Kassel eG
Verwendungszweck: Märtyrer Malatya
IBAN: DE02520604100003690334
BIC: GENODEF1EK1

 

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